- Grundvertrag
- Grundvertrag,Grundlagenvertrag, Kurzbezeichnung für den Vertrag vom 21. 12. 1972 über die Grundlagen der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, in Kraft getreten am 21. 6. 1973. Der am 8. 11. 1972 paraphierte Grundvertrag sollte gutnachbarlichen Beziehungen auf der Grundlage der Gleichberechtigung dienen. Beide Staaten erklärten einen gegenseitigen Gewaltverzicht und verpflichteten sich, Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sowie eine internationale Rüstungsbegrenzung und Abrüstung zu fördern. Sie bekräftigten die Unverletzlichkeit der zwischen ihnen bestehenden Grenze und die uneingeschränkte Achtung ihrer territorialen Integrität. Sie versicherten ihre Bereitschaft, praktische und humanitäre Fragen zu regeln (z. B. Verbesserung des Post- und Fernmeldeverkehrs, Schaffung von Reiseerleichterungen, Familienzusammenführung), und vereinbarten den Austausch »ständiger Vertretungen« (präzisiert mit Protokoll vom 14. 3. 1974). Frühere Verträge und Vereinbarungen - auch mit anderen Partnern - blieben unberührt. Bestandteil des Vertrages waren neben seinem Text auch ein Zusatzprotokoll, Erklärungen, u. a. ein Vorbehalt der Bundesregierung darüber, dass Staatsangehörigkeitsfragen nicht geregelt wurden, und ein »Brief (der Bundesregierung) zur deutschen Einheit«, worin - analog zum »Moskauer Vertrag« vom 12. 8. 1970 - festgestellt wurde, dass der Grundvertrag »nicht im Widerspruch zu dem politischen Ziel der Bundesrepublik Deutschland steht, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt«.Auf einen Normenkontrollantrag der bayerischen Staatsregierung stellte das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 31. 7. 1973 die Vereinbarkeit des Vertrages mit dem GG fest, allerdings nur »in der sich aus den Gründen ergebenden Auslegung«; der Grundvertrag sei allerdings keine »endgültige Lösung der deutschen Frage«. Daher galt der Vertrag aus bundesdeutscher Sicht nur in folgendem Rahmen: Das Deutsche Reich ist 1945 nicht untergegangen; die Bundesrepublik Deutschland ist mit dem Deutschen Reich »teilidentisch«, sie beschränkte ihre Hoheitsgewalt auf den Geltungsbereich des GG, fühlte sich aber verantwortlich für das ganze Deutschland, die DDR bildete ebenfalls einen Teil des Deutschen Reiches; dementsprechend war die DDR für die Bundesrepublik Deutschland nicht Ausland, der Vertrag regelte »Inter-se-Beziehungen«; das Wiedervereinigungsgebot des GG (erkennbar z. B. in der Präambel) blieb unberührt. Der Status des Deutschen im Sinne des GG (der auch die Deutschen aus der DDR umfasste) war nicht gemindert; jeder Deutsche hatte in der Bundesrepublik Deutschland Anspruch auf vollen gerichtlichen Schutz und alle Garantien der Grundrechte des Grundgesetzes.Nach dem In-Kraft-Treten des Grundvertrages wurden Verhandlungen eingeleitet, aus denen verschiedene Folgevereinbarungen hervorgegingen: u. a. Einrichtung eines »grenznahen Verkehrs«, Einrichtung einer Grenzkommission zur Grenzfeststellung, Kulturabkommen (6. 5. 1986); sie förderten den Ausbau der innerdeutschen Beziehungen (deutsche Einheit).D. Cramer: Dtl. nach dem G. (21973);Der Grundlagenvertrag vor dem Bundesverfassungsgericht. Dokumentation. .., hg. v. P. Gielen (1975);T. Schramm: Das Verhältnis der Bundesrepublik Dtl. zur DDR nach dem G. (21975);G. Ress: Die Rechtslage Dtl.s nach dem Grundlagenvertrag vom. .. (1978);V. Hornung: Zehn Jahre Grundlagenvertrag 1972-1982 (21994).
Universal-Lexikon. 2012.